Dienstag, 28. April 2015

Tage der Finsternis

Darian rannte. Nicht wirklich schnell, aber schnell genug, dass die Halme des hohen Grases wie kleine Peitschenhiebe an seine nackten Unterschenkel schlugen. Keine Sache, die er als unangenehm empfand. Darian war das gewohnt. Gerade in den heißen Sommermonaten, wenn Sonnenstrahlen das Land fluteten, genoss er es, über die Wiesen zu laufen und den Duft der wilden Pflanzen in sich aufzusaugen. Manchmal rannte er bis zur völligen Erschöpfung, um sich dann einen schattigen Platz unter einem der Bäume am Waldrand zu suchen. Während er auf dem Rücken lag, beobachtete er dann immer wieder fasziniert, wie das Licht des strahlenden Himmelskörpers durch das Blättergewirr gefiltert wurde und einzelne Strahlen den Weg durch das grüne Dach fanden und einen eigenwilligen Tanz auf dem Boden vollführten.

Darian wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war heiß und er würde sich bald einen Moment der Ruhe gönnen. Nun musste das aber zurückstehen. Zum einen war er keinesfalls so erschöpft, dass es notwendig gewesen wäre und zum anderen stand ihm jetzt gar nicht der Sinn nach einer Begegnung mit dieser Ratte, deren modrige Ausdünstung er vor wenigen Momenten wahrgenommen hatte. Zwar war sie nicht in seinem Sichtfeld gewesen, aber sehr wohl hatte Darian, neben dem Geruch, auch Bruchstücke ihrer Gedanken empfangen. Bilder, die wie Blitze in sein Bewusstsein gedrungen und von purer Fressgier, Tod und Verwesung gezeichnet waren. Seinem Gespür nach konnte das Tier nur wenige Meter entfernt sein. Vermutlich zog es irgendwo in dem hohen Gras oder hinter einem der Büsche seine Bahnen. Er wusste, dass selbst ein ausgewachsenes Exemplar ihm nicht wirklich ernsthaft Schaden zufügen konnte. Nicht mehr als kniehoch wurden die Tiere, aber dennoch wollte er einer Konfrontation lieber aus dem Weg gehen. Möglicherweise war das Rudel in der Nähe und eine Begegnung mit einem solchen war nichts, wonach er sich in diesem Moment sehnte.

Darian drosselte sein Tempo bis er schließlich wieder in einen Schlendergang verfiel. Da er nun weder Gedanken oder Gerüche von der Ratte empfing, musste er genügend Distanz zwischen sich und das Tier gelegt haben. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie weit er sich von der Stadt entfernt hatte. Er befand sich nun auf einer Anhöhe, die ihm einen Blick auf das umliegende Land erlaubte. Nur als kleine Rechtecke am Horizont waren die Häuser der Stadt noch auszumachen. Umgeben von einer Schar Windräder, die aus der Ferne wie künstliche Blumen wirkten. Kleine Punkte bewegten sich dazwischen - Pferde und Rinder, die auf den Wiesen grasten. Darian konnte sich nicht erinnern, jemals zu Fuß in solcher Distanz zu der Siedlung unterwegs gewesen zu sein. Er tastete nach dem ledernen Etui an seinem Gürtel und vergewisserte sich, dass das lange Jagdmesser an seinem Platz war.
„Sei bitte vorsichtig, wenn du alleine im Gelände unterwegs bist“, pflegte Dad zu sagen, „bleibe immer in Sichtweite der Häuser. Schnell hast du dich im hohen Gras und den Wäldern verlaufen. Dort draußen lauern Gefahren, denen du alleine nicht gewachsen bist.“
„Hey, ich bin siebzehn. Alt genug, dass ich auf mich aufpassen kann“, entgegnete er dann und sein Vater legte die Stirn in Falten.
„Glaub ich Dir, Großer, aber da draußen gibt es Dinge, denen auch du besser aus dem Weg gehen solltest. Männer, stärker und erfahrener als du es bist, sind in den Wäldern unterwegs gewesen und kehrten nicht mehr zurück.“
Dann zog er ihn zu sich heran und umarmte ihn. So heftig, dass er unter dem Druck der muskulösen Arme das Gefühl hatte, die Kontur seiner Wirbelsäule würde sich gleich auf der Bauchdecke abzeichnen.

Darian bewunderte seinen Vater. Nicht nur wegen seiner athletischen Erscheinung, sondern vor allem wegen seiner Intelligenz und Redegewandtheit. Damit war er keinesfalls alleine. Auch anderen Menschen in der Stadt erging es so. Darian sah es in ihren Gesichtern, wenn sie ihn reden hörten. Zum Beispiel bei einer dieser Gemeindeversammlungen, wo viele Meinungen lautstark die Runde machten, aber sich kein Ergebnis abzeichnen wollte. „Big Alvar“, wie sie ihn nannten, ergriff dann das Wort, stand auf und ließ seine klaren blauen Augen unter dem blonden Haarschopf in die Runden kreisen. Mit tiefer, fester Stimme wog er dann die Argumente ab und sprach eine Empfehlung aus. Meist wurde diese angenommen und das nicht nur, weil sein Wort als Stadtoperhaupt besonderes Gewicht hatte. Tatsächlich war es so, dass sich kaum einer den Schlussfolgerungen seines scharfen Verstandes zu entziehen vermochte.

Darian zuckte zusammen. Er war in seinen Gedankengängen so vertieft gewesen, dass er kaum Notiz von seiner Umgebung genommen hatte. Gerade war es ihm, als hätte er eine Bewegung im Augenwinkel wahrgenommen. Doch die Bewegung war zu schnell, zu undeutlich, als dass er sie hätte einordnen können. Möglicherweise auch nur eine Täuschung. Er blieb stehen und versuchte einen Gedanken zu empfangen. Sein inneres Auge kreiste über den Flecken Erde und mit einem Mal spürte er die Präsenz eines Menschen. Undeutlich waren die Bilder in seinem Kopf – er nahm Dunkelheit und Feuer wahr. Noch versuchte er Klarheit zu gewinnen, als er sich plötzlich einer Gestalt gegenüber sah. Wenige Meter von ihm entfernt, musste sie hinter einem der Büsche hervorgetreten sein. Schnell registrierte Darian, dass sie etwa einen halben Kopf kleiner als er war und ganz in einem langen, erdfarbenem Gewand gehüllt. Eine Kapuze war tief über das Haupt gezogen und ließ die Gesichtszüge in den Schatten treten. Darian zuckte zurück. Instinktiv griff er nach dem Messer an seinem Gürtel.
„Nicht nötig, lass es stecken.“
Verblüfft hielt er in der Bewegung inne. Ruhig, geradezu sanft waren die Worte gesprochen worden, aber auch mit einem Unterton, der sehr bestimmt wirkte und zu seiner großen Überraschung nicht die eines Mannes war. Mit einer raschen Bewegung streifte die Erscheinung die Kapuze von dem Kopf und legte dabei einen Schopf langer, schwarzer Haare frei. Sie schüttelte diese und richtete dann den Blick auf ihn. Er sah in das Gesicht einer jungen Frau, die kaum älter als er sein mochte. Darian fand, dass sie außerordentlich hübsch war. Die dunklen Haare und ihre vollen, roten Lippen standen in einem verlockenden Kontrast zu ihrer hellen, makellosen Haut. Er konnte spüren, wie etwas von ihr ausging, dass er noch nie zuvor bei einem Menschen empfangen hatte. Es war, als wäre sie von einer dunklen Aura umgeben, aber auch von einem strahlenden Licht, das aus ihrem Inneren zu kommen schien. Er starrte sie an, während ein braunes Augenpaar ihn wiederum mit unverhohlener Neugier musterte.
„Beim Gaffen den Lidschlag nicht vergessen, sonst trocknen die Augen aus“, bemerkte sie mit leisem Spott in der Stimme, als sich ihre Blicke begegneten.
„Oh sorry…ich habe nur nicht damit gerechnet…“, setzte er an.
„…dass es noch andere Menschen auf dem Planeten gibt?“, vollendete sie und blitzte ihn lächelnd an.
„Nein…du bist eine Trux, nicht wahr?“, stammelte er.
„Allmählich scheinst du deine Sprache wieder zu finden“, frotzelte sie, “tatsächlich - einige nennen uns wohl so. Wie bist du zu dieser Erkenntnis gelangt?“
„Nun, mein Dad erzählte mir von euch. Dass ihr in den alten Verkehrsschächten lebt, die einst die Städte verbanden. Die Umgebung hat euch ziemlich lichtempfindlich gemacht. Vermute, daher auch der Umhang.“
„Da sieht Frau mal, was einem so an der Oberfläche entgehen kann“, sagte sie und musterte dabei gespielt aufmerksam seinen muskulösen Körper, der sich durch das knappe Shirt abzeichnete.
„Was hat er denn noch so erzählt, dein Dad?“
„Hm“, entgegnete Darian, „eher unschöne Dinge. Lichtscheues Gesindel war einer der Begriffe, die er verwendete. Eigentlich sollte ich gar nicht mit dir reden.“
Ein Schatten zog über ihr Gesicht.
„Wenn es nach meiner Mutter ginge, ich auch nicht mit dir. Wie heißt du?“, fragte sie.
„Darian und du?“
„Enia, nun sag, was hat dich hierher getrieben? Von euch Urbans verliert sich doch eher selten einer mal in dieses Revier.“
„Ich war etwas unterwegs und habe irgendwie die Entfernung vergessen. Außerdem war da diese Ratte, der ich nicht über den Weg laufen wollte.“
Enia lachte und offenbarte dabei eine blitzende Reihe weißer Zähne. Dabei warf sie den Kopf in den Nacken und schüttelte ihre Mähne.
„Oh, du meinst sicher Pi. Der streicht hier immer herum.“
„Pi?“
„Ja, es gibt da eine Ebene, auf der ich mit Tieren kommunizieren kann. Vor allem mit Ratten. Vermutlich eine Naturbegabung. Mache dir keine Gedanken um Pi. Der ist harmlos.“
„Harmlos?“
„Naja, meistens jedenfalls“, entgegnete sie, „wusstest du eigentlich, dass Ratten einstmals kleine Nager waren, die von manchen sogar als Haustiere gehalten wurden?“
„Ja, Dad erzählte mir davon. Das war in der alten Welt – vor der großen Katastrophe. Als die Erde dicht bevölkert war. Aber es gab auch eine Zeit, da haben Ratten Krankheiten übertragen, die vielen das Leben kostete.“
Enia nickte und ihr Blick wurde düster.
„Das ist wahr, manchmal folgt ihnen der Tod.“
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Genug davon. Erzähl mir von dir. Was mich wirklich interessieren würde: Vorhin, bevor du mich gesehen hast – da hattest du mich schon bemerkt. Mir war, als würde jemand versuchen, nach meinen Gedanken zu greifen. Das warst du, nicht wahr?“
Darian nickte.
„Ja, ich kann Gedanken empfangen. Klappt nicht immer. Wenn es funktioniert, ist es ein wenig wie eine Art Diashow. Also einzelne Bilder. Komisch nur, die meisten merken das eigentlich gar nicht.“
„Erstaunlich“, entgegnete Enia, „funktioniert das nur bei Menschen oder auch bei Tieren?“
„Tiere auch, ist aber irgendwie unschärfer.“
Sie pfiff anerkennend durch die Zähne.
„Respekt, sicher ganz brauchbar so eine Begabung.“
„Manchmal schon“, grinste Darian, „zum Beispiel beim Auffinden von Trux. Ist allerdings so, dass ich meinem Dad versprechen musste, diese Fähigkeit nicht im persönlichen Umfeld einzusetzen. Also keine Familie, Freunde, Schule und so.“
„Hältst du dich daran?“
„Naja“, er zögerte und grinste dann verlegen, „fast immer…meistens.“
„Fein, dann hoffe ich doch, dass du mich trotzdem in Zukunft wieder aufspüren wirst.“
„Oh, ist das so etwas wie eine Verabredung?“, entfuhr es Darian und er fühlte wie sein Herz einen Freudensprung absolvierte.
„Vielleicht“, entgegnete Enia grinsend, „jedenfalls muss ich jetzt los. Bis dann also.“
Sie zog die Kapuze über den Kopf, winkte ihm zu und ging davon. Nachdenklich sah ihr Darian noch eine Weile nach und entfernte sich dann in entgegengesetzter Richtung.

Die Sonne hatte sich schon deutlich dem Horizont genähert, als Darian wieder die Stadt erreichte. Er passierte die Wachposten am südlichen Tor, die ihm freundlich zuwinkten. Der Sohn des Stadtvorstehers war unter den Wachhabenden eine bekannte Erscheinung und wurde stets mit zuvorkommendem Respekt behandelt.
Darian stiefelte die Straße entlang, die gleich hinter dem Tor einen Bogen beschrieb und so etwas wie die Hauptachse durch das Städtchen bildete. Es waren nur wenige Menschen unterwegs. Vereinzelt wurde ihm freundlich zugenickt, was er ebenso freundlich erwiderte. Hin und wieder rollte ein Elektrogleiter vorbei.
Nach wenigen Minuten hatte er das kleine Backsteingebäude erreicht, das sein Vater vor einigen Jahren zu ihrem neuen Heim erklärt hatte. Darian mochte das Haus. Es bot ausreichend Platz für beide, hatte große Fensterfronten und war unter dem Gesichtspunkt höchster Gemütlichkeit eingerichtet. Dabei bildete das geräumige Wohnzimmer mit reichlich Polstermöbeln und dem offene Kamin den Mittelpunkt des Domizils.
Er griff in die Tasche seiner Hose, fischte den Schlüssel heraus und schloss die Tür auf. „Bin da - du auch?“, rief er in den Flur.
„Hier, in der Küche, Sohn“, erschallte sogleich die Antwort.
Darian ließ die Tür hinter sich zufallen und schritt den Gang entlang. Sein Vater saß in einem der hölzernen Stühle am Küchentisch und starrte aus dem Fenster. Er hatte den Kopf in die Hände gestützt und auf seiner Stirn zeigten sich nachdenkliche Falten.
„Hey.“
„Dad? Alles ok?“
„Das weiß ich nicht so recht...“
„Wie meinst du das? Was ist los?“
Darian zog einen Stuhl heran und setzte sich seinem Vater gegenüber.
„Weißt du“, setzte dieser an, „ich hatte heute einen Anruf. Kam aus Haunting. Du weißt, die nächste Siedlung im Norden. Kenne den dortigen Stadtvorsteher. Will ist ein anständiger Kerl. Ich habe ihn schon einige Male getroffen. Vielleicht erinnerst du dich, er war hier auch schon mal zu Besuch.“
Darian nickte. Es lag zwar einige Jahre zurück, aber die rundliche Erscheinung des Mannes war ihm in Erinnerung geblieben. Vor allem wegen seiner scheinbar unerschütterlich fröhlichen Art, in der er den ganzen Abend humorhaltige Anekdoten zum Besten gegeben hatte.
„Jedenfalls“, fuhr sein Vater fort, „berichtete er mir, dass wir bald Besuch erhalten werden. Keinen erfreulichen Besuch. Oberst Kalig ist auf dem Weg hierher.“
Sein Blick wandte sich ihm zu und eine ernste Miene machte sich auf dem Gesicht breit.
„Darian, das ist kein netter Mensch. Ich bin ihm vor Jahren schon einmal begegnet. In unregelmäßigen Abständen suchen er und seine Gefolgsleute die Städte heim. Sie fordern dann Tribut für angebliche Schutzdienste.“
Darian fand, dass sein Vater während seiner Erzählung beunruhigend nervös wirkte.
„Was für einen Tribut?“
„Lebensmittel, Benzin oder Edelmetalle. Je nachdem, was die Städte zu bieten haben.“
„Das verstehe ich nicht. Hat sich denn noch keiner gewehrt?“
„Doch“, antworte sein Vater, „und es endete nie erfreulich. Oberst Kalig ist ein Mann von unglaublicher Körperkraft und Skrupellosigkeit. Außerdem befiehlt er über eine Hundertschaft von schwer bewaffneten Leuten. Wer sollte sich ihnen entgegen stellen? Schau dich doch mal um: Wir sind Farmer, Handwerker oder Kaufleute. Das ist in anderen Städten nicht anders. Nur wenige sind im Kampf erfahren und Waffen sind schwer zu beschaffen.“
Sein Vater seufzte und fuhr sich dabei mit einer Hand durch das Haar.
„Was wirst du tun?“
„Ach, weißt du, lass uns abwarten. Möglicherweise besteht gar kein Grund zur Sorge.“
Er legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Wir werden das durchstehen.“
Darian nickte und versuchte zu lächeln.
„Was ich dich noch fragen wollte – wie ist das eigentlich mit den Trux?“
Sein Vater blickte ihn erstaunt an.
„Wie, was soll mit diesen sein? Ich habe dir doch von ihnen erzählt. Nichtsnutzige Kellerbewohner, die nur Ärger machen. Du weißt doch, nach der großen Katastrophe haben die Überlebenden wieder mit dem Aufbau in den Städten begonnen. Einige blieben unter der Erde. In ehemaligen Verkehrstunnels, wo sie sich vorher zurückgezogen hatten.“
„Gibt es den hier auch solche Tunnels?“
Sein Vater schaute ihn argwöhnisch an.
„Nun, einige Kilometer von hier in südlicher Richtung. Da gibt es einen solchen. Warum fragst du?“
„Reine Neugier“, antwortete Darian und versuchte gelassen zu wirken, „in der Schule haben einige über das Thema geredet.“
„Hm, wie auch immer. Tu mir bitte den Gefallen und halte dich fern von den Trux. Kein guter Umgang. Wenn sie irgendwo auftauchen, gibt es immer Ärger.“
Das klang in Darians Ohren ziemlich bestimmt und endgültig, so dass er es bei diesen Worten beließ. Er musste an Enia denken, ihr hübsches Gesicht mit den dunklen Augen und konnte sich nicht vorstellen, dass sie dem entsprach, was in Dads Vorstellungen zu einer Trux existierte. So nickte er seinem Vater zu, schob den Stuhl zurück und stand auf.
„Ok, ich bin dann mal auf dem Zimmer.“
Darian verließ die Küche und begab sich in seine Räumlichkeiten.

Das Abendessen nahmen sie später schweigend in der Küche ein. Wortlos beseitigten sie die Reste und erledigten den Abwasch. Sein Vater setzte sich anschließend an den Schreibtisch im Wohnzimmer und ging einige Papiere durch. Darian warf sich auf sein Bett, griff nach dem Buch, das seit Wochen auf seinem Nachttisch lag und von den Abenteuern eines Detektives im antiken Rom handelte. So recht vermochte er sich allerdings nicht auf die Zeilen zu konzentrieren. Zu viele Gedanken rasten in seinem Kopf umher. Er machte sich Sorgen. Selten hatte er seinen Vater in einem solchen Zustand von Beunruhigung erlebt. Dieser Oberst Kalig schien eine ernsthafte Bedrohung zu sein und Darian verspürte ein unwohles Gefühl bei dem Gedanken, dass sich sein Vater, in der Position als Stadtvorsteher, würde mit dieser finsteren Gestalt auseinandersetzen müssen.
Es war spät, als Darian in einen unruhigen Schlaf fiel. In seinem Traum lief er durch dunkle Gänge auf der Flucht vor Ratten und uniformierten Gestalten, die ihn nach dem Leben trachteten.

Der nächste Tag verlief in gewohnten Bahnen. Unendlich zäh schien ihm die Zeit zu verrinnen, bis endlich die Schulglocke anschlug und das Ende des Unterrichts einläutete. Darian griff nach seiner Tasche, warf sie sich über die Schulter und stürmte nach Hause. Dort angekommen, schleuderte er die Schulsachen in die Ecke, sprang in eine halblange Hose und verließ wieder die Wohnung. Er passierte das Südtor und lief auf das Feld hinaus. Es war ein ganzes Stück Weg, das er zurückzulegen hatte bis zu der Stelle, an der er gestern die überraschende Begegnung hatte.

Darian rannte. Seine Gedanken kreisten um Enia, während die Landschaft an ihm vorüberglitt. Unentwegt hatte er an sie denken müssen und er spürte, dass sein Herz bei der Vorstellung an sie schneller als gewöhnlich schlug. So mochte er Stunden gelaufen sein, als er sich der Stelle näherte, an der er auf sie getroffen war. Zu seiner Überraschung wartete Enia bereits. Sie saß im hohen Gras und ihre dunklen Augen blickten ihm entgegen.
„Schau an, welch unerwarteter Besuch.“
„Enia…Enia, du bist da“, entfuhr es ihm, während er zum Halten kam.
„Ja, aber wenn du meinen Namen so oft wiederholst, nutzt der sich schnell ab und das wäre schade - ich brauche ihn noch.“
Sie lächelte und Darian konnte sich ebenfalls ein Grinsen nicht verkneifen.
„Hast Du mich vermisst?“, fragte sie ihn.
„Vielleicht“, antwortete er und bemühte sich, es möglichst beiläufig klingen zu lassen. Enia lachte und warf dabei wieder den Kopf in den Nacken, dass es ihr Haar schüttelte. Darian schaute sie an und verspürte auf einmal ein Gefühl, als wäre sein Herz ein Nadelkissen, das soeben von unzähligen Spitzen getroffen worden wäre.
Er setzte sich in das hohe Gras neben sie und ließ den Blick über die Felder schweifen.
„Bist du schon länger hier?“
„Nein, ich war ein wenig mit Pi unterwegs als ich hier vor einigen Minuten vorbeikam und daran dachte, ein wenig zu rasten.“
„Habe gar nichts von einer Ratte wahrgenommen. Gib es zu - du hofftest, dass ich auftauchen würde.“
„Vielleicht“, entgegnete sie und lächelte geheimnisvoll, „hast du deinem Dad von unserer Begegnung erzählt?“
„Nein, nicht wirklich“, antwortete er, mein Vater ist momentan ziemlich angespannt.“
„Wieso das?“
Darian erzählte ihr von Oberst Kalig. Enia hörte ihm aufmerksam zu, bis er zu Ende berichtet hatte. Dann schwieg sie einen Moment. Er konnte spüren, wie sich ein Schatten über ihre Gedanken legte.
„Darian, hast du Angst?“
„Ja, ich glaube schon. Dad wirkte ziemlich besorgt. So habe ich ihn noch nie erlebt.“
Enia sah ihn mit ernster Miene an.
„Was ist eigentlich mit deiner Mutter? Du hast noch nicht von ihr erzählt.“
„Ich habe keine Mutter. Mutter ist kurz nach meiner Geburt verstorben. Ich habe sie nie kennen gelernt.“
„Das ist sehr traurig. Mein Vater ist bei einem Unfall um das Leben gekommen. Es war ein Feuer in einem der Tunnels. Er hatte einige Kinder aus den Flammen gerettet und war nochmals umgekehrt, um nach weiteren Überlebenden zu suchen, als das Gewölbe einstürzte und ihn unter sich begrub. Das war schlimm. Ich war klein, kaum 4 Jahre alt und er meine Welt.“
Ihre Stimme klang brüchig und einem inneren Gefühl folgend griff Darian nach ihrer Hand. Er drückte sie, was sie mit einem schwachen Lächeln erwiderte.
„Danke, es ist ok und ziemlich lange her.“
Da sie keine Anstalten machte, sich seiner Hand zu entziehen, hielt er ihre weiterhin umfasst. So saßen sie eine ganze Weile schweigend da und sahen über die Wiesen.
„Sehen wir uns morgen?“, sagte sie irgendwann mit leiser Stimme.
„Ja klar“, antwortete er.
Sie standen auf, umarmten sich und begaben sich auf den Heimweg.

Als er die Tore der Stadt erreichte, sah er, wie sich eine dunkle Wolke über die Stadt gelegt hatte. Es war, als würde die sonst so strahlende Stadt unter einer Glocke der Düsternis liegen und die Häuser bleierne Luft atmen. Ein Treck aus gut zwei Dutzend dunklen, gepanzerten Transportern und Geländefahrzeugen bildeten mit laufenden Motoren eine Schlange, die die Hauptstraße besetzt hielt. Darian registrierte, dass es sich um benzingetriebene Wagen handelte. Unzählige Treibstoffkanister waren auf die Dächer der Fahrzeuge geschnallt. Verbrennungsmotoren waren selten. Lediglich einige der Landmaschinen, die die Farmer nutzten, um die Felder zu bestellen, waren von solcher Motorisierung und die großen Lastwagen, die Güter zwischen den Städten transportierten. Öl war ein seltener Rohstoff und Raffinerien gab es wenige. Benzin musste teuer gekauft werden und wurde deshalb nur für besondere Einsatzzwecke verwendet.
Darian war stets beeindruckt von der lärmenden Kraftentfaltung laufender Verbrennungsmaschinen. Ganz anders als das kaum wahrnehmbare Summen der Elektrofahrzeuge, die sonst auf den Straßen verkehrten und lediglich dem Transport weniger Personen dienten. In diesem Moment vermochte er allerdings keinerlei Begeisterung für Verbrennungsmaschinen aufbringen.
Während er die Kolonne passierte, registrierte er, dass zahlreiche Männer in olivefarbenen Uniformen an den stehenden Fahrzeugen lehnten. Kaum einer, um dessen Hüfte nicht ein Revolvergürtel geschnallt war. Manche hielten Gewehre in den Händen. Allesamt warfen sie ziemlich desinteressierte Blicke in die Umgebung.

Darian passierte das Tor als einer der Wachhabenden ihn zu sich winkte.
„Dein Vater hat uns gebeten, dich zu benachrichtigen. Du sollst ihn in der Gemeindehalle aufsuchen. Oberst Kalig spricht dort und „Big Alva“ möchte, dass du in seiner Nähe bist, solange er und seine Leute sich in der Stadt aufhalten.“
Darian bedankte sich und schlug den Weg zu der Halle ein. Sie lag nur einige Hundert Meter weiter auf der Straße, in der sich ihr Heim befand. Wegen des gewaltigen Solardaches, das die Konstruktion schmückte, wurde sie von den Bewohnern scherzhaft „Kochfeld“ genannt. Wenige Minuten später hatte er das Gebäude erreicht. Die zahlreich abgestellten Fahrräder und Elektrogleiter auf dem Parkplatz ließen erahnen, dass ein großer Teil der Stadtbevölkerung den Weg in den Gemeindesaal gefunden haben musste. Die mächtigen Tore der Halle waren in geöffneter Stellung fixiert, so dass Darian ungehindert in den Saal schlüpfen konnte. Ein Stimmengewirr aus Hunderten von Kehlen empfing ihn. Die Halle war bis zum Brechen gefüllt. Dicht an dicht standen die Menschen. Es wurde verhalten getuschelt, während die Blicke immer wieder zu der Bühne wanderten, auf der sich lediglich einige Stühle befanden. Die Luft war stickig und erfüllt von dem Geruch nach Schweiß und Bier, das sich viele der Besucher an einer der Theken geholt hatten und nun wie einen Schild vor den Bäuchen trugen.
Darian wühlte sich durch die Menge und verteilte dabei großzügig entschuldigende Worte an die Rempelopfer. Er musste zur Bühne vordringen. Ganz sicher würde er dort seinen Vater finden. Einige Minuten und zahlreiche Worte des Bedauerns später hatte er die erste Reihe erreicht. Wie erwartet stand sein Vater unmittelbar vor dem Treppenaufgang. Sein Blick schweifte über die versammelte Menge. Als er Darian erblickte, glitt ein Ausdruck der Erleichterung über sein Gesicht. Er winkte ihn zu sich heran.
„Gut, dass du da bist. Bleib in meiner Nähe. Ich weiß nicht, wie sich das hier entwickeln wird.“
Weiter sprach er nicht, da Unruhe in die Reihen kam. Wenig später teilten sich diese und ein Dutzend Soldaten traten an die Bühne. Sie hatten einen Ring gebildet in dessen Mitte eine gewaltige Erscheinung schritt. Darian schätzte den Mann auf mehr als zwei Meter Körpergröße und nicht weniger beeindruckende Schulterbreite. Ein mächtiger, kahlrasierter Schädel, der zu einem guten Teil von einem wild wuchernden Bart bedeckt war, zierte die Erscheinung. Kleine, tiefliegende Augen schimmerten dunkel aus den Höhlen und wanderten aufmerksam über die Menschenmenge.
Sein Vater stieß ihn in die Seite.
„Das ist Oberst Kalig.“
Eine tiefe, dröhnende Stimme durchschnitt das Stimmengewirr in der Halle, während Kalig auf sie zuging.
„Sie sind der Sprecher in diesem Laden, nicht wahr?“
Der Oberst trat zwischen seinen Wächtern hindurch und streckte eine gewaltige Pranke aus, die sein Vater ergriff und kurz schüttelte. Darian vermutete, dass der Händedruck des Obersts hätte Steine zermörsern könnte. Wenn dem so war, so ließ sich sein Vater nichts anmerken. Ungerührt blickte er Kalig an.
„Man nennt mich Alva.“
Kalig ließ seinen Blick zu Darian wandern.
„Ihr Sohn, nehme ich an?“
„Ja, in der Tat.“
Der Oberst musterte ihn.
„Prächtiger Bursche.“
Dann wandte er sich wieder seinem Vater zu.
„Nun denn, lassen sie mich einige Worte zu den Leuten sprechen.“
Er trat vorbei und nahm die Treppe zu der Bühne mit zwei mächtigen Schritten. Seine Begleiter folgten ihm. Kalig nahm eine zentrale Position auf der Bühne ein, während sich seine Männer zu beiden Seiten neben ihm postierten. Alle trugen automatische Gewehre, die sie im Anschlag hielten, während ihre Blicke aufmerksam über die Menge wanderten. Mit einem Mal wurde es still in der Halle. Alle blickten gespannt auf die beeindruckende Erscheinung, die ihre Stimme nun erhob.
„Ich bin Oberst Kalig. Einige von ihnen werden von mir gehört haben. Den anderen sei gesagt, dass wir, meine Männer und ich, es uns zur Aufgabe gemacht haben, ihnen und den Bewohnern anderer Städte in diesem Landkreis Schutz zu gewähren. Wie sie sich denken können, ist der Aufwand dafür nicht unerheblich. Daher ist es nur recht und billig, wenn wir hierfür eine Gegenleistung erwarten. Ich will ihnen nun sagen, was wir daher von ihnen einfordern: 10 Rekruten aus ihren Reihen. Männlich, gesund und nicht älter als 20 Jahre. Sie sollen unsere Einheit verstärken.“
Im Saal wurde es plötzlich laut. Stimmengewirr füllte die Halle. Kalig sprach nun lauter und seine Stimme dröhnte durch die Halle.
„Wir werden unser Lager vor den Toren aufschlagen – dort finden sie mich. Bis zum morgigen Abend erwarte ich ihre Auswahl. Das war es.“
Darian sah in betroffene Gesichter und gesenkte Blicke. Ein betretenes Schweigen erfüllte den Raum.
Er konzentrierte sich auf den Oberst und öffnete sein inneres Auge. Zunächst dachte er, dass es nicht funktionierte, dann wurde ihm bewusst, dass er nichts empfing. Da war nur Leere. Dunkle, kalte Leere, die von Kalig ausging. Darian spürte, wie eine Gänsehaut seinen Rücken herunterlief.
Plötzlich wurde eine Stimme laut.
„Mit Verlaub, aber wir brauchen ihren Schutz nicht. Wir sind bisher auch ohne diesen ausgekommen. Warum sollten wir einer solchen Aufforderung nachkommen?“
Darian erkannte in dem Sprecher einen Mann aus der ersten Reihe. Er hatte ihn schon einige Male bei den Ratsversammlungen gesehen.
Kaligs Augen flackerten. In diesem Moment empfing Darian ein Bild: Wut. Grellrote Wut. Er sah Bilder rasenden Hasses. Plötzlich drehte Kalig den Kopf und sah in Darians Richtung. Er schüttelte seinen Schädel. Erschrocken zog Darian sein inneres Auge zurück, als der Oberst mit einem gewaltigen Satz von der Bühne sprang. Er ging auf den Sprecher zu, scheinbar mühelos umfasste er ihn am Hals als wäre dieser eine Marionette, hob ihn mit einem Arm in die Höhe und schüttelte ihn.
„Keinen Schutz? Sicher?“
Die Menschen um ihn herum wichen zurück. Darian sah, wie die Soldaten auf der Bühne ihre Waffen auf die Menge gerichtet hielten. Achtlos warf Kalig den Mann von sich. Dieser wurde mehrere Meter durch die Luft gewirbelt und kam schließlich mit einem dumpfen Ton zum Liegen als er gegen den Bühnenrand prallte und leblos liegen blieb. Der Oberst würdigte dem Opfer keinen weiteren Blick. Gelassen schritt er durch den Saal und bewegte sich auf „Big Alva“ zu. Darian sah, wie die Miene seines Vaters versteinerte und sich die Muskeln unter seinem Hemd anspannten. Er hielt die Fäuste geballt und es war zu erkennen, dass er sich nur mit Mühe unter Kontrolle hielt.
„Einen bemerkenswerten Sohn haben sie da. Ich erwarte ihn und neun weitere morgen zur Aufnahme in meinen Trupp.“
Damit drehte er sich herum. Seine Männer waren von der Bühne gekommen und hatten ihn inzwischen wieder in die Mitte genommen. So verließen sie den Saal.
Wie versteinert blickte Darian ihnen nach. Tränen liefen ihm über die Wangen.
„Dad? Das ist doch nicht wahr? Muss ich jetzt weg von hier?“
Er konnte spüren, wie etwas sein Kehle zuschnürte. Stumm griff sein Vater nach Darians Hand. Er zog ihn zu sich heran und umarmte ihn. Wirre Bilder schossen durch seinen Kopf.
„Keine Sorge, das letzte Wort ist in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen. Jetzt warte hier, ich muss mich kurz besprechen und nach Ron sehen. Ich fürchte, das sieht nicht gut aus.“
Er löste die Umarmung und ging zu dem leblosen Körper am Bühnenrand. Einige der Anwesenden hatten sich bereits des Opfers angenommen und ihn in Rückenlage gebracht. Darian sah, dass der Mann keine Reaktion zeigte. Sein Vater beugte sich zu dem ihm hinunter und hielt die Hand an den Hals, um den Puls zu fühlen. Dann schüttelte er den Kopf und wandte sich den Umstehenden zu. Es begann eine lebhafte Diskussion. Einige der Beteiligten erkannte Darian als Mitglieder der Stadtversammlung. Den Inhalt des Gespräches konnte er aus der Entfernung nicht wahrnehmen. Nach einigen Minuten verabschiedete sich „Big Alva“ mit einem Kopfnicken von den Männern und kehrte zu ihm zurück.
„Lass uns nach Hause gehen“, sagte er und schob seinen Sohn in Richtung des Ausganges.
„Er ist tot, nicht wahr? Ich konnte es sehen.“
Darian spürte, wie die Angst mit eisigen Klauen nach seinem Verstand griff und in einen dunklen Abgrund zog. Er zitterte und das Laufen erschien ihm unendlich schwer. Sein Vater nickte nur stumm und drängte ihn weiter. Der Saal hatte sich weitestgehend geleert. Nur vereinzelt standen noch kleine Gruppen von Menschen zusammen. Viele ließen die Köpfe hängen und blickten schweigend zu Boden.

Draußen war es dunkel und eine bedrohliche Stille lag über der Stadt. Es war, als hätte jemand die Hintergrundakustik ausgeschaltet. Weder das für die Jahreszeit typische Singen der Vögel, noch das Zirpen von Grillen war zu hören. Darian fröstelte trotz der milden Temperaturen. Er sog die kühle Luft ein und spürte, wie die Angst wich und einer Verwirrung Platz machten. Stumm schritt er neben seinem Vater her. Beide waren tief in Gedanken versunken. Für einen Moment dachte er daran, in den Gedanken seines Vaters zu lesen. Dann erinnerte er sich an sein Versprechen, dass er gegeben hatte. Zudem fürchtete er sich vor den Bildern, die ihn möglicherweise erreichen könnten. So erreichten sie bald ihr Heim.
„Wir sollten reden“, sagte sein Vater als sie im Flur standen und die Tür hinter ihnen in das Schloss fiel.
„Nicht jetzt, Dad. Ich muss nachdenken. Lass uns morgen sprechen.“
„Wie du meinst. Wenn du trotzdem möchtest…“
„Ist ok. Ich werde auf mein Zimmer gehen.“
Er trottete davon. Sorgenfalten zierten das Gesicht seines Vaters als er ihm nachsah.

Darian lag auf seinem Bett und starrte an die Decke. Gedanken schossen durch seinen Kopf. Bilder aus der Vergangenheit liefen vor seinem geistigen Auge vorbei. Großvater, Dad, wie er mit ihm durch die Felder streifte. Freunde und Enia. Schmerzvoll wurde ihm bewusst, dass er all dieses zurücklassen würde. Wut keimte in ihm auf. Er wollte sich nicht kampflos diesem selbsternannten Oberst ausliefern. Doch ihm fehlten die Mittel. Wie er es auch drehte und wendete, er fand keine Lösung, dem Schicksal zu entrinnen. Einen Moment dachte er an Flucht, dann wurde ihm bewusst, dass die Reaktion auf sein Verschwinden unvorhersehbare Folgen haben könnte. Möglicherweise würde Kalig seinen Vater dafür bestrafen oder höheren Tribut fordern. Nein, Darian würde sich nicht davonstehlen. Er musste nachdenken…

Es wurde dunkel. Die Stunden vergingen und Darian lag mit offenen Augen auf dem Bett. Als es dämmerte, erhob er sich und trat in den Flur. Er passierte das Wohnzimmer und sah seinen Vater am Schreibtisch. Die ganze Nacht war dieser immer wieder unruhig durch das Haus gelaufen. Nun ruhte sein Kopf auf den Armen.
Darian trat hinaus, zog die Tür leise hinter sich zu und bewegte sich auf das Stadttor zu. Heute würde er nicht die Schule besuchen und es würde kaum einen geben, der dafür nicht Verständnis haben dürfte.
Es war mild und die Luft noch nicht von der bevorstehenden Tageshitze aufgewärmt. Er atmete tief durch, während er das Tor passierte.
Stumm nickte er den Wachposten zu und schlug den Weg über die Felder ein. Etwas abseits des Tores hatten Kaligs Männer in unmittelbarer Nähe zu dem Zaun, der die Stadt umgab, ihr Lager aufgeschlagen. Dunkelgrüne Mannschaftszelte unterschiedlicher Größe waren in einer wilden Ordnung aufgeschlagen. In der Mitte eines, das offensichtlich als Kommandozentrale diente. Um das Lager herum waren die Fahrzeuge geparkt. Darian sah vereinzelte Betriebsamkeit auf dem Gelände. Einige Männer hatten ein Feuer entfacht über dem große Kessel mit dampfendem Inhalt hingen. Ein Geruch von Kaffee wehte zu ihm hinüber. Darian mochte den Duft, wenn er ihn bisher auch selten gerochen hatte. Kaffee war schwer zu beschaffen, da er aus Übersee eingeschifft werden musste und deshalb eine außerordentlich teure Tauschware.

Darian rannte. Nicht wirklich schnell. Nur so, dass sich seine Gedanken aus der der Umklammerung der jüngsten Ereignisse lösten und dem Lauf zuwandten. Er spürte, wie die Luft durch seine Lungen strömte während die Landschaft an ihm vorüberglitt. Seine Gedanken kreisten um Enia und die Wärme, die er in ihrer Nähe verspürte, gleichwohl sie eine dunkle Tiefe in sich barg. Wieder konnte er nicht sagen, wie lange er gelaufen war, als er jene Stelle erreichte, an der si sich das erste Mal getroffen hatte. Es war niemand anwesend. Darian stoppte und ließ sich erschöpft in das Gras fallen. Müdigkeit überkam ihn. Er lag der Länge nach in dem Grün und starrte in den Himmel, wo die Sonne gerade begann ihren Lauf über den Himmel anzutreten. Bald wurden die Lider schwer und er fiel in einen unruhigen Schlaf.

„Pi, lass das!“
Darian fuhr hoch und sah in die kalten, dunklen Augen einer Ratte, die gerade an seinen Füßen schnupperte. Er zuckte zusammen, was das Tier zu einem Rückzug veranlasste. Es drehte sich herum und trottete davon.
Die Sonne stand inzwischen hoch am Himmel. Er musste einige Stunden geschlafen haben. Enia stand neben ihm und als er den Kopf drehte, sah er in ihr lächelndes Gesicht.
„Hi, Schlafmütze.“
„Hey, bist du schon länger da?“
„Lange genug, um deine Schlafgewohnheiten kennen gelernt zu haben.“
Dann wurde ihr Gesicht ernst.
„Was ist los? Du hast im Traum gesprochen. Hörte sich gar nicht gut an. Was ist mit diesem Kalig?“
Darian setzte sich auf, rieb die Reste des Schlafes aus den Augen und berichtete von den gestrigen Ereignissen. Er endete und beobachtete Enias Gesicht. Ihre Miene schien unbewegt. Dann drehte sie den Kopf zu ihm. Ihre dunklen Augen trugen einen feuchten Schimmer und sie sprach nur wenige Worte.
„Ich will nicht, dass du gehst.“
Darian fasste mit beiden Händen ihr Gesicht. Er beugte sich zu ihr herüber und irgendwo auf halbem Wege trafen sich ihre Lippen. Ganz vorsichtig und zärtlich. Beinahe so als fürchteten sie um die Zerbrechlichkeit des Momentes. Sekunden verharrten sie in dem Kuss, bevor sie sich lösten und in die Augen sahen. Beiden liefen Tränen über die Wangen.
„Du weinst ja“, sagte sie und wischte ihm über das Gesicht.
„Du auch“, sagte er.
Dann lächelten sie beide. Ein verlegenes und gleichzeitig befreiendes Lächeln.
Es waren nur wenige Worte, die an diesem Nachmittag gewechselt wurden. Zumeist hielten sich die beiden in den Armen und sahen in den anderen. Der Abend rückte näher und irgendwann löste sich Darian widerwillig aus der Umarmung.
„Es kann doch nicht so enden. Nicht, da ich dich gerade erst gefunden habe.“
Sie sah ihn an und ihr Blick verdunkelte sich.
„Das wird es nicht.“
Enias weiche Gesichtszüge wurden mit einem Mal hart und bestimmt.
„Es ist besser, wenn du jetzt gehst.“
Sie schob ihn von sich. Verwirrt wich Darian zurück.
„Aber, was wird…“
„Frage nicht, gehe einfach – jetzt.“
Sie hob die Hand und legte einen Finger auf die Lippen. Dann wandte sie sich ab und ging. In völliger Verstörung blieb Darian zurück und sah ihr nach. Irgendwann setzte auch er sich in Bewegung. Mit hängenden Schultern und langsamen Schritten, dann immer schneller werdend, bis er schließlich rannte.
Er hetzte zurück über die Felder und kämpfte gegen die Tränen an, die aus ihm herausflossen.

Darian erreichte das Stadttor völlig außer Atem.
„Oberst Kalig will dich sehen. Du findest ihn in dem Kommandozelt“, rief ihm einer der Wachtposten zu, als er ihn erblickte. Darian nickte ihm stumm zu, drehte herum und steuerte das Lager an. Sein Herz klopfte und die Beine zitterten.
Kaligs Männer nahmen kaum Notiz von ihm, als er mit unsicheren Schritten den Platz betrat. Nur kurz streiften ihn gelangweilte Blicke, während er die Behausung in der Mitte des Lagers ansteuerte. Die Öffnung des Zeltes war zurückgeschlagen, so dass der Oberst im Inneren zu sehen war, wie dieser hinter einem Schreibtisch saß und ihm einen neugierigen Blick zuwarf, als Darian in sein Sichtfeld gelangte.
„Sieh an“, dröhnte die Stimme des Oberst, „setz dich hier auf den Stuhl.“
Mit einer einladenden Handbewegung deutete er auf ein primitives Gestell, das vor seinem Tisch aufgestellt war. Darian trat hinein und ließ sich in das Möbel fallen.
„Du bist ein bemerkenswerter Bursche“, begann Kalig, „deine Fähigkeiten werden mir künftig von großem Nutzen sein.“
„Welche Fähigkeiten?“
„Keine Spielchen, ich habe in der Vergangenheit schon mit ähnlichen Talenten Kontakt gehabt. Glaube nicht, dass mir das gestern auf der Bühne entgangen ist.“
Darian schwieg.
„Also, ich will, dass du deine Sachen packst und dich in einer Stunde dienstbereit meldest. Richte deinem Vater aus, dass die anderen sich dann ebenfalls hier einfinden sollen.“
Einen Moment überlegte Darian, was er dem Oberst entgegnen sollte. Wut keimte in ihm auf. Er wollte sich nicht wehrlos in die Hände dieses gewissenlosen Schlächters begeben. In seinem Kopf formten sich Worte des Protestes, als seine Sinne plötzlich Eindrücke empfingen, die ihn stumm bleiben ließen. Zunächst war es so, als verspürte Darian den Geruch von Moder in seiner Nase. Dann vernahm er ein leises, aber unüberhörbares Geräusch, das er nicht einzuordnen vermochte. Es war ein dumpfes Grollen wie von etwas Gewaltigem, das sich rasch über den Boden bewegte und näher zu kommen schien. Kalig hatte dieses offensichtlich nicht wahrgenommen, da er ihn unverändert ansah. Dann schob sich ein anderes Bild vor seinem inneren Auge. Eines gezeichnet von unbändiger Wut, aber auch Angst. Es schien seinen Ursprung irgendwo in nächster Umgebung zu haben und es war keines, das nur einem Geist entstammte. Vielmehr musste es einer großen Schar entspringen. Darian wusste, dass er schnell handeln musste. Er stand auf und nickte Kalig zu.
„Dann werde ich nun gehen. Es ist noch einiges zu erledigen.“
Der Oberst winkte beiläufig mit der Hand
„Ja, geh nur.“

Das Grollen war inzwischen lauter geworden. Außerhalb der Unterkunft konnten es nun auch einige der Soldaten vernehmen. Verwirrt ließen sie ihre Blicke durch das Lager gleiten und schauten anschließend zum Himmel. Offensichtlich hielten sie es für eine Wettererscheinung. Darian wusste es besser.
Eilig schritt er durch das Lager. Die Zeit drängte. Inzwischen war das Grollen zu einem donnernden Ton angeschwollen. In dem Camp wurde es unruhig. Soldaten verließen ihre Zelte und liefen ungeordnet über den Platz - auf der Suche nach dem Ursprung der Störung. Darian rannte. Er ließ das Lager hinter sich und stürzte auf das Stadttor zu. Gerade rechtzeitig, um seinem Vater zu begegnen. Mit entschlossener Miene schritt dieser in jenem Moment die Straße entlang. Ein Revolver steckte in dem Bund seiner Hose und hinter ihm eine große Schar Männer, die mit allerlei Gerätschaften bewaffnet waren. Es schien, als wäre die gesamte männliche Bevölkerung der Stadt mobilisiert worden. Nur wenige waren im Besitz echter Kriegswerkzeuge, die meisten hielten das in den Händen, was ihnen zur Verteidigung brauchbar erschienen war und normalerweise als Werkzeug diente – Sicheln, Spitzhacken, Hämmer und andere Gerätschaften. Ihre Gesichter waren von Entschlossenheit gezeichnet, aber auch von einer Furcht vor dem, was sie erwarten würde.
Darian lief auf seinen Vater zu.
„Nicht Dad, ihr dürft da jetzt nicht hin!“
Verblüfft stoppte dieser, hob seinen Arm, um den Männern Halt zu gebieten.
„Was zum Henker machst du? Lass das, es muss enden – hier und jetzt.“
Darian fasste seinen Vater am Arm.
„Warte bitte. Das Lager ist jetzt kein guter Platz, um sich dort aufzuhalten. Vertraue mir. Sieh selbst.“
Er hob den Arm und deutete in Richtung des Camps.
Was sie dann sahen, sollte für immer in ihrer Erinnerung bleiben: Eine gewaltige Rattenherde schob sich über das Feld und auf das Lager zu. Ein dunkler, todbringender Teppich aus Tausenden von fressgierigen Nagern rollte unaufhaltsam in Richtung des Camps. Zu spät wurde die Gefahr von Kaligs Männern erkannt. In Panik eilten sie im Lager umher, schrien, gestikuliert, griffen nach ihren Waffen und feuerten blindlings in die dunkle Masse – mit geringem Erfolg. Einige der Tiere strauchelten zwar und blieben auf dem Boden liegen, wurden aber von den Nachkommenden schlichtweg überrannt. Zu dem Grollen, das durch Hunderte von über der Erde hastenden Füßen hervorgerufen wurde, mischte sich alsbald ein ohrenbetäubendes Quieken aus zahllosen hungrigen Kehlen. Schnell hatte das Heer das Camp erreicht ein und ergoss sich über alles, was sich in den Weg stellte. Wie Zweige brachen die Streben der Zelte unter der tierischen Last zusammen und begruben die Insassen unter sich. Schmerzensschreie hallten über den Platz. Schreie, die die Opfer noch ausstießen, bevor sie unter den Rattenleibern erstickten wurden und sich unzählige Reißzähne in ihnen verbissen. Nicht anders erging es den umherirrenden und flüchtenden Soldaten. Schnell wurden sie von der rasenden Meute erfasst und zu Boden gerissen. Auch ihnen wiederfuhr das gleiche, tödliche Schicksal und ihre Körper auf bestialische Weise verstümmelt. Bald bedeckten Lachen von Blut den gesamten Lagerplatz.

Schaudernd wandte sich Darian von dem grausamen Schauspiel ab und ließ den Blick suchend über die Felder wandern. Ein wenig abseits der Horde fanden seine Augen das, wonach sie gesucht hatten: Eine Gestalt in hellem Kapuzengewand schritt neben der Meute her. Mit klopfendem Herzen stürmte er los.
„Enia!“, rief er.
Diese sah ihn auf sich zukommen und stürmte nun ihrerseits los. Auf halbem Wege trafen sich sie sich und fielen sich in die Arme.
„Ich habe es in meinen Gedanken gesehen“, flüsterte er ihr zu.
„Das wusste ich.“
Enia befreite sich aus seiner Umarmung und hob eine Hand.
„Warte, lass mich das beenden.“
Sie blickte zum Lager hinüber, das sich inzwischen zu einem Schlachtfeld der Verwüstung gewandelt hatte. Ihre Augen schlossen sich für einige Sekunden. Leise murmelte sie unverständliche Worte, dann öffneten sich wieder ihre Lider. Darian sah, wie das Rattenheer in seiner Raserei stoppte und mit einem Mal den Rückzug antrat. Erneut erschallte ein Grollen, als die Meute sich in Bewegung setzte und über die Felder rollte.
Inzwischen war sein Vater zu ihnen geeilt. Ungläubiges Erstaunen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.
„Was war das? Darian, was zum Henker..?“
„Es ist ok. Lass mich dir jemanden vorstellen.“
„Ich bin Enia“, sagte sie und reichte ihm die Hand.
„Nenn mich Alva“, antwortete sein Vater und erwiderte den Händedruck. Die Verwirrung war auf seinem Gesicht deutlich sichtbar.
„Werde dir später alles erklären, Dad. Du hast sicher eine Menge Fragen.“
„Das kannst du aber annehmen“, sagte dieser und blickte Enia an, „dann ist es also wahr“, er stockte für einen Moment, „…in den alten Legenden wird davon berichtet, dass es unter den Trux immer eine gab, die die Macht über das Heer der Ratten besaß. Ich hielt es bisher für bloße Phantasie. Nach den heutigen Ereignissen wird es das nun nicht mehr für mich sein und auch wenn es ein gnadenloser Feldzug war, so sind wir dir zu Dank verpflichtet.“
Sie nickte.
„Es ist Sache der Meute, wie sie vollstreckt und von mir nicht zu beeinflussen. Sicher ist, dass Kalig von seinesgleichen gerichtet wurde.“
„Big Alva“ sah sie nachdenklich an.
„Vermutlich hast du recht. Nun, dann werde ich mich um die Aufräumarbeiten kümmern und dich, Enia, werde ich hoffentlich bald wiedersehen. Mir scheint, ich muss mich von einigen Vorurteilen verabschieden.“
Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, bevor er sich abwandte und in Richtung Stadt bewegte.
„Ich glaube, mein Dad benötigt Hilfe“, sagte Darian und küsste sie.
„Geh nur.“
„Sehen wir uns wieder?“
„Sicher werden wir“, entgegnete Enia und ihre Miene wurde weich, „es ist schließlich ganz offensichtlich, dass du ohne mich nicht zurechtkommst.“
„Kein Einspruch“, entgegnete er und strich ihr durch das Haar, „und ich will es auch gar nicht.“
Dann zog sie die Kapuze über den Kopf tief in das Gesicht, bevor sie sich abwandte.
Er sah ihre Gedanken und verwob sie mit den seinen. Ein Band wurde geflochten, das niemals reißen sollte.
Darian spürte sie, auch als sie schon längst irgendwo mit den Weiten des Landes verschmolzen war und seine Augen sie nicht mehr fanden...

© by P.H.

Super Mario und der Boiler des Schreckens

Kalt duschen ist echt kein Wattepusten. Fühlt sich an, als würde ein Eisbär mit dir Blues tanzen. Wange an Wange, in heftigster Umarmung und dabei ziemlich sensibilitätsfern die Luft aus den Lungenflügeln schmusen.
Ist ja nicht so, dass ich eine Abneigung gegen warmes Wasser hätte. Ganz und gar nicht. Im Gegenteil – stehe total auf eisfreie Körperhygiene.
Nur hat es mein Boiler vorgezogen, sich in das Walhalla der wohlverdienten Elektrogeräte zu begeben. Wirkt zumindest so, denn als ich den Burschen vorhin aus dem Dämmerschlaf holen wollte, quittierte dieser kommentarlos den Dienst. Ein hämisches „Pling“ war alles, war er mir noch zurief, bevor die Nulllinie einsetzte.

Kleine Dramen, die das Leben schreibt, aber nicht wirklich mit Krisenpotential, denn für solche Fälle verfügen wir über eine Allzweckwaffe in unserem Wohnkarton: Herrn Watschek. Von allen nur kurz „Watschi“ genannt. Seines Zeichens Hausmeister und zuständig für alle Festinstallationen.
Eigentlich ein ganz fähiger Typ, aber leider mit methanartigen Eigenschaften ausgestattet. Soll heißen, wenn Arbeit in der Luft liegt, wird Watschi zum flüchtigen Gas. Dematerialisiert sich. Nicht einmal die Bioscanner des Raumschiffes Enterprise können ihn dann aufspüren.
Watschi ist ein kleiner, drahtiger Kerl. Typ Super Mario. Nur ohne Mütze und weniger super. Ich hänge ja der Theorie an, dass man seinen Blaumann schon auf den Ultraschallbildern hat sehen können. Also, im Embryonalstatus. Ganz sicher, weil ohne diesen ist er mich bisher noch nicht in das Blickfeld geraten. Überhaupt ist das mit dem Sehen so eine Sache. Funktioniert bekanntermaßen nur bei sichtbaren Objekten. Trifft für ihn allerdings eher selten zu. Meistens sitzt er in seiner Bude und spielt toter Mann.

Ok, wenn er dann mal zu Schraubenschlüssel und Zange greift, ist das Ergebnis durchaus brauchbar. Wie im letzten Winter. Da durfte ich einem seiner seltenen Auftritte beiwohnen. Die gebrechliche Frau Herder konnte wegen der verschneiten Straßen ihre Besorgungen nicht mehr erledigen. Watschi hat kurzerhand aus alten Gartenstühlen einen Schneeschieber gezimmert und an ihren Rollator montiert. Über beide Backen hat die Dame gestrahlt. Klar, war wohl nicht ganz uneigennützig, denn die Räumung der Wege vor dem Haus war damit gesichert. Das erledigte Frau Herder - mit ihrem Handpflug während der täglichen Einkäufe.

Jedenfalls stand ich vorhin klopfend und klingelnd an seiner Tür. Wieder mal keine Reaktion - wie zu erwarten. Was blieb, war die kalte Dusche und lautstarkes Fluchen unter dieser. Verbunden mit Wünschen nach qualvollem Siechtum, das ihn baldigst ereilen möge.

Zu allem Überfluss ziert jetzt auch noch diese Gesichtsmaske meine Erscheinung. Rote Erde aus dem Taka-Tuka Land oder so. Hat mir Ella aufgeschwatzt, nachdem wir gestern zusammen die Bettlaken zerwühlt haben.
„Macht ne Haut wie ein Nacktmull“, meinte sie grinsend, bevor die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Keine Ahnung, wie die Pelle von den Biestern ist. Hoffe, es sind keine Artverwandten der Gürteltiere.
Zu doof, dass Ella vorhin ausgeflogen ist. Hätte sonst einen Abstecher in das Nachbarhaus gemacht und ihr Bad genutzt. Mit ziemlicher Sicherheit dürfte es bei ihr keine Eiswürfel aus der Dusche regnen.

Im Gegensatz zu meiner Brauseeinrichtung. Deren Betriebszustand sorgt dafür, dass sich nur widerwillig die Seifenreste von der Gänsehaut lösen lassen. Während ich da nun mit klappernden Zähnen gegen das Wasser aus der sibirischen Tundra ankämpfe, schlägt die Türklingel an.
War irgendwie klar.

Fluchend klettere ich aus der Duschwanne, wickele mir ein Handtuch um die Hüften und trabe zum Eingang.
„Du hast da etwas im Gesicht“, begrüßt mich Yvonne.
Ihr verträumtes Lächeln lässt erahnen, dass sie sich wieder mal auf einer anderen Bewusstseinsebene befindet. Das hüftlange, hennagefärbte Haar hat sie zu einem Knoten gebunden, der auf den Schultern ruht.
„Peace“, werfe ich ihr entgegen, „ ja, schlechte Schwingungen. Macht mir immer diesen lästigen Ausschlag.“
Sie schaut mich prüfend an und die Cannabis-Wolke, die von ihrem Blumenkleid ausgeht, benebelt meine Sinne. In der Hand hält sie eine Flasche, die verdächtig klare Flüssigkeit beherbergt.
„Schnäpschen?“
Aus umnebelter Ferne höre ich mich dankbare Worte zu der angebotenen, inneren Erwärmung sagen.
Yvonne ist ein Relikt aus jener Zeit, in der Hosen noch Schlag hatten und häufiger Gast in meiner Küche. Mit den Lokalitäten wohl vertraut. So bin ich keineswegs überrascht, als wir uns kurze Zeit später am Tisch wieder finden und gut gefüllte Gläschen den Tisch dekorieren.

„Cheers“, rufe ich ihr zu und schütte die Flüssigkeit in den Hals.
Das Zeug erinnert entfernt an verschimmelte Himbeeren und lässt mich unwillkürlich husten.
Yvonne grinst breit.
„Der reinste Kehlenfasching, nicht wahr?“
„Gib zu, das ist vom letzten Wechsel der Bremsflüssigkeit abgefallen.“
Sie lacht und irgendwie klingt es weit entfernt.
„Du scheinst mir etwas unentspannt, mein Lieber. Gönne Dir mal eine Auszeit. Seele baumeln lassen und so. Komm doch vorbei. Bin ausgebildet in Tantra-Massage.“
Dabei zupft sie an ihrem Kleid, dass ein tiefer Einblick auf ihre üppige Naturtheke möglich wird. BHs scheinen ihrer Weltanschauung zu widersprechen. Hat etwas.
Ich vermute, dass die Gesichtsmaske mich nur bedingt gelassen erscheinen lässt und versuche möglichst gechillt zu wirken.
„Klingt gut. Komme vielleicht darauf zurück.“
Sie lächelt verführerisch und füllt die Gläser nach.

Irgendwann, einige Hustenattacken später, hat Yvonne das Feld geräumt. Ziemlich erheitert und unter Absingen von zotigen Weisen, die mir bis dato unbekannt waren, lässt sie mich zurück. Mich und meine Herausforderungen an die Körperhygiene.

Unveränderter Status: Das Wasser hat immer noch unkaribische Temperaturen. Die Duschreste lassen sich nur mühsam entfernen. In der Werkzeugkiste findet sich allerdings ein Spachtel, der mir gute Dienste leistet. Nach einigen Anläufen lösen sich die Platten getrockneter Seife widerwillig von der Haut.

Es klingelt. Entnervt lasse ich das Werkzeug fallen und begebe mich zur Tür.
„Ja ja, ich weiß, Ganzkörperherpes. Kann man nichts machen“, werfe ich prophylaktisch Herrn Kreitscher entgegen, der mich entgeistert durch seine kristallaschenbecherdicken Brillengläser anstarrt. Typ Buchhalter. Trägt sicher Ärmelschoner und sortiert Bleistifte nach Größe.
„Sie haben nicht zufällig Herrn Watschek gesehen?“
„Nö, wieso?“
„Mein Briefkastenfach schließt nicht mehr bündig mit der Dichtung. Sehr beunruhigend.“
Nervös zieht er an seinem Krawattenknoten. Ein gewaltiges Teil in Mandarinengröße.
„Nein, habe hier ebenfalls technische Probleme. Versuchen Sie es ein Stockwerk tiefer. Serienhämmern an seiner Tür könnte Erfolg haben.“
Kreitscher wendet sich dankend ab und bleibt nachdenklich im Treppenhaus stehen.
Bevor er weitere Sprechblasen entleeren kann, schließe ich die Tür.

Die letzten Seifenplatten fallen unter dem Einsatz von Hammer und Meisel. Erleichtert schlüpfe ich in meine Shorts, als es an der Tür klingelt.
Schon wieder. Heute ist Weltnachbarschaftstag und hier definitiv das Epizentrum.

„Sie haben da etwas im Gesicht“, begrüßt mich Frau Schnerzelhuber.
„Weiß ich - ne bösartige Schuppenflechte. Überträgt sich an der Luft.“
Angewidert schaut sie mich aus tiefliegenden Schweinsäuglein an. Ihre dünnen Lippen beschreiben einen liegenden Halbmond. Deutlich misslaunig. Könnte aber auch an den stramm sitzenden Lockenwicklern liegen, die einen Liftingeffekt in ihrem Gesicht verursachen.
„War ziemlich laut, heute Nacht“, tönt sie und wischt dabei unsichtbare Fussel von der strapazierten Kittelschürze.
„Joa, der Watschi hatte wieder mal Damenbesuch. Mädels vom Bahnhof.“
Ich staune über mich selbst, wie cool mir diese kleine Schwindelei von den Lippen geht. Tatsächlich waren es die Stunden mit Ella, die nicht ganz ungehört geblieben sein durften. Lautstarkes Angrölen gegen das Karaoke-Programm der Spielkonsole im überhopften Zustand. Ganz zu schweigen von dem anschließenden Nahkampf in der Horizontalen.
Völlig entgeistert sieht sie mich aus ihren farblosen Augen an.
„Der Watschi?“
„Ja, Madame. Fragen Sie ihn.“
Ich winke kurz und werfe die Tür vor ihrer Nase in das Schloss.

In der Werkzeugkiste findet sich ein Trennschleifer. Lange her, dass ich den im Einsatz hatte. Muss gewesen sein, als ich mich an Blätterteigpasteten versuchte und diese sich nicht vom Backblech lösen wollten.

Der rotierenden Scheibe hat die Gesichtsmaske nichts entgegenzusetzen und verlässt mein Gesicht. Irgendwie hatte ich mich beinahe daran gewöhnt. Ein wenig wie Leonardo Di Caprio – der Mann in der eisernen Maske.
Die Haut scheint es unbeschadet überstanden zu haben. Keine sichtbaren Verletzungen. Von einer Verjüngungskur kann allerdings auch nicht die Rede sein. Das Gesicht hat eine hummerartige Färbung angenommen. Als wäre ich auf dem glühenden Waffeleisen eingeschlafen.
Weitere Diagnostik wird vertagt, da es an der Tür klingelt.

Herr Wurstwasser steht im Türrahmen. Rentner mit Frustrationshintergrund. Typ Kissen auf dem Fensterbrett und ständig auf Beobachtungsposten. Selbsternanntes Kontrollorgan. War früher sicher mal Radarfallenbetreiber oder Kartenabreißer in einer Proktologenpraxis.
Mit seiner ungerührten Stand by-Miene, in der sich lediglich minimal die Lippen zu bewegen scheinen, kommt er ohne Umschweife zu seinem Anliegen:
„Ham´se den Watschi gesehn´?“
„Nö, habe ich nicht. Warum?“
„Mein Fenster ist kaputt. Lässt sich nicht mehr öffnen“, verkündet er und der schmerzliche Unterton ist kaum zu überhören.
Irgendwie verspüre ich Mitleid mit dem Wurstwasser - Aussichtsplattform geschlossen. Der Mann seiner Bestimmung beraubt. Schicksale, die bewegen.
„Na ja, der Watschi hat wohl einen ordentlichen Bock geschossen. Orgie gefeiert und dabei Briefkästen geschrottet. Glaube, seine Eigenschweißallergie macht ihm gerade zu schaffen.“
Klar, manchmal neige ich zu Übertreibungen. Besonders unter Einfluss von Halluzinogen.
„Aha…ham´se ne Ahnung, wann der wieder auftaucht?“
„Keinen Schimmer, würde mal an seiner Tür rütteln. Sind noch mehr, die etwas von ihm wollen.“
„Werde ich versuchen..“
Mit hängenden Schultern wendet er sich ab, während ich ihm seinen Schicksal überlasse und die Tür schließe.

In der Besenkammer findet sich ein Rest Wandfarbe. Überbleibsel der letzten Renovierung. Großflächig verteile ich das Weiß im Gesicht und betrachte die Wirkung im Spiegel. Nicht ohne eine gute Portion künstlerischen Stolzes, hat die rote Färbung nun doch deutlich an Dominanz verloren.

Von einer Fortführung der Kreativeinlage sehe ich ab, da lärmende Geräusche aus dem Treppenhaus an meine Ohren dringen. Anschwellendes Stimmengewirr und polternde Geräusche, die vom hämmernden Klopfen an eine Tür begleitet werden. Keine Frage - der Hausmob hat Stellung vor Watschis Behausung bezogen und fordert seinen Körper.
Mir wird das nun entschieden zu unentspannt. Ich greife zum Handy und wähle mit unterdrückter Rufnummer die Polizeistation an.
"Dringend...ja...Geiselnahme - ich glaube, er ist bewaffnet."

Der Geräuschentwicklung lauschend, warte ich die weitere Entwicklung ab, als sich sehr bald Sirenen vernehmen lassen. Immer lauter, bis sie vor dem Haus verstummen. Kein einsamer Streifenwagen. Nein, eine bemerkenswerte Ansammlung von Mannschaftswagen hat sich eingefunden. Volles Programm der Staatsmacht in Sturmbereitschaft.
Dauert auch gar nicht lange, da sind im Treppenhaus laute Rufe zu vernehmen und wenig später das Bersten einer Tür.
In solchen Dingen sind die Jungs vom SEK nicht zimperlich.
Klar, zum heiteren Gurkenschälen rücken die nicht an.

Im Kühlschrank findet sich eine Dose Bier. Ich reiße den Verschluss ab und lasse mich auf das Sofa im Wohnzimmer fallen. Wenig später folgen die Augenlider. Der Traum ist ziemlich hektisch und bunt. In dem Jump 'n' Run-Spiel bin ich ein Warmwasserboiler und jage Super Mario auf den Osterinseln. Nach wenigen Runden ist der Sieg meiner und der erlegte Blaumannträger eine Trophäe an meinem Gürtel.

Als ich wieder wach werde, ist es ruhig im Haus. Gespenstisch ruhig. Meine Neugier meldet sich zu Wort und lässt mich das Sofa verlassen.

Watschis Wohnung hat keine Tür mehr. Also, keine funktionierende. Hölzerne Reste einer Pforte zieren den Rahmen, ansonsten komplette Freiluftveranstaltung.
Ich trete ein und sehe mich um. Die Behausung erscheint gar nicht ungemütlich. Parkettboden, geschmackvolle Tapeten und Bilder von allerlei technischen Zeichnungen an den Wänden.
Gleich neben der Tür sticht mir ein auffälliger Schalter in die Augen. Einer, wie sie sich üblicherweise an großen Maschinen finden. Das Schild über dem Ding spricht für sich: „Telefon/Klingel aus.“
Irgendwie beeindruckt mich das.

Watschi sitzt zusammengesunken auf einem Sofa im Wohnzimmer. Sein leerer Blick scheint mich kaum zu registrieren.
„Hey, alles senkrecht bei Dir?“
Er nickt müde und hebt dabei den Kopf nur unwesentlich.
Mitleid erfasst mich.
Ich gehe zu ihm, greife unter die Beine, werfe seine Arme um meinen Hals und hebe ihn von dem Sitzmöbel. Watschi scheint dies kaum wahrzunehmen. Vorsichtig trage ich ihn durch das Treppenhaus zu meiner Wohnung. Dort angekommen steuere ich das Badezimmer an und setze ihn auf den Rand der Duschwanne.
„Hör mal, mein Boiler will nicht mehr. Scheint hinüber. Kein warmes Wasser. Nur noch Frostprogramm. Lässt Du mal Deine heilenden Hände wirken?“
Müde erhebt sich Watschi und schlurft zu dem Gerät hinüber. Er greift hinter den Behälter und befördert wenig später ein Bauteil an das Tageslicht. Sicherung - erkennt mein geübtes Auge sofort.
Suchend fasst er in eine der zahllosen Taschen an seinem Blaumann, fummelt einen passenden Ersatz herbei und implantiert diesen.
Kurz darauf verkündet der Boiler Betriebsbereitschaft.
Ich umarme Watschi und schüttele begeistert seine Hand. Er nimmt dies widerstandslos entgegen, gleichwohl ich den vorsichtigen Ansatz eines Lächelns über sein Gesicht huschen sehen kann.

Als wir später in seiner Küche sitzen und uns zuprosten ist er beinahe wieder der Alte.
„Weißt Du“, lässt er seufzend verlauten, „ die Tür war sowieso Schrott. Zeit für ein Upgrade. Jetzt gibt es Stahl. Rostfrei und lebenslange Garantie.“
Dabei grinst er diabolisch und ich sehe Watschi vor meinem geistigen Auge – händereibend hinter einer Stahltür. In gesicherter Distanz zu der Achse des Bösen, die irgendwo quer durch das Haus verläuft.

Es ist schon ziemlich spät in der Nacht, als Ella mit mir in der Badwanne sitzt. Heißes Wasser bis zum Kinn - in meiner Hygieneoase. Das Leben meint es gut mit mir.
„Was war das heute für eine Aufregung bei euch? Polizei und so?“
„Na ja, muss wohl ein Missverständnis gewesen sein. Hatten sich in der Straße geirrt“, meine ich beiläufig.
Sie grinst.
„Du hattest damit aber nichts zu tun?“
„Ne, halte mich aus solchen Sachen heraus, weißt Du doch.“
Ella wischt mir Wandfarbe aus dem Gesicht.
„Da bin ich mir nicht so sicher, manchmal neigst Du zu unüberlegten Handlungen.“
Ich küsse ihre vollen Lippen.
„Unkonventionell trifft es besser und außerdem - ist schon ein verrückter Haufen hier in diesem Bunker.“
Sie lacht und bewirft mich mit Badeschaum. Dabei spritzt Wasser.
Wohltuend warmes Wasser.

© by P.H.

Lady Goldlocke, der Weberknecht und ich

Es war spät geworden. Die Veranstaltung hatte sich in die Länge gezogen.

„Ausdruckstöpfern und das männliche Rollenverständnis."
So das Thema des Vortrages zu dem der hiesige Pfandflaschensitzkreis geladen hatte. Die anschließende Diskussion war von hitzigen Wortgefechten begleitet worden.
„Pseudomaskuline Selbstverwirklichung“ und „Untermauerung des Matriarchats“ waren nur einige der Schlagworte gewesen.
Nicht, dass es mich zutiefst bewegt hatte, aber kurzweilig war es schon gewesen.

Die Hände in den Hosentaschen vergraben, steuere ich nun heimwärts.
Nur vereinzelt huschen Menschen auf der wenig bevölkerten Hauptstraße vorbei.
Um diese Uhrzeit gibt es üblicherweise kaum Verkehr in dem verschlafenen Städtchen. Manchmal fühle ich mich an eine dieser Geisterstädte in den alten Western erinnert. Fehlt nur noch, dass der heiße Wüstenwind irgendwelches Gestrüpp die Hausfassaden entlangweht.

In der Nebenstraße, die ich nun einschlage, ist es noch gespenstischer. Hier sind nur vereinzelt Straßenlaternen postiert, die die Umgebung notdürftig erhellen und orangefarbenen Schein auf das Pflaster werfen.

Gedankenversunken trotte ich vor mich hin, als sich plötzlich zwei Gestalten aus dem Halbdunkel schälen und mir den Weg verstellen.
"Hey Kollege, wohin so eilig?"
Konversation ist aktuell nicht mein brennendstes Verlangen und so murre ich einsilbig:
„Nach Hause.“
Im selben Moment ist eine Hand an der Schulter zu spüren, die energisch meinen Vorwärtsdrang zu stoppen versucht.
"Alter, Du hast doch sicher eine kleine Gabe für Bedürftige", meint einer der Gestalten mit lauerndem Tonfall.
Ich schaue auf und erkenne im matten Schein der Lampen einen hageren Typen mit tief in das Gesicht gezogener Basecap. Seine Worte werden von hämischem Grinsen begleitet, das eine lückenhafte Zahnreihe entblößt.

Mir wird plötzlich bewusst, dass sich die Lage in eine Richtung zu entwickeln beginnt, die ganz und gar nicht meiner Vorstellung eines entspannten Tagesausklanges entsprechen dürfte. Dafür spricht auch jenes Geräusche hinter dem Rücken, das auf eine Positionierung des anderen Kerls in meinem Windschatten schließen lässt.
Verzwickte Situation.

Vor meinem geistigen Auge ziehen verschiedene Szenarien vorbei, als plötzlich Schritte auf dem Pflaster zu vernehmen sind.
„Klack“ – „klack“ – „klack“
Das Geräusch von Damenschuhen. Stilettos oder so. Jedenfalls hochhackig und ziemlich bestimmt.
Mit einem Mal schiebt sich die Gestalt einer Frau in das Gesichtsfeld.
Groß, lange, wild gelockte Haare, die im Schein der Straßenlampe ziemlich blond erscheinen.
"Hey Leute, alles senkrecht?", ruft sie uns fröhlich zu.
Einen knappen Meter vor mir kommt sie zum Stehen und mustert mich prüfend.
„Na, Ärger?“

Die Gebissruine dreht sich herum und zischt sie unfreundlich an:
„Wüsste nicht, was dich das angehen sollte.“
Dabei streckt er den Arm nach vorne und will sie wegstoßen.

Im nächsten Moment geht alles sehr schnell.
Ihre Hand schnellt nach vorne, packt seinen Arm und verdreht diesen.
Mit einem Schmerzensschrei sinkt der Typ zu Boden.
Sie fasst den Kragen, schüttelt ihn und platziert einen satten Tritt in den Allerwertesten, was der Kerl mit einem wimmernden Laut quittiert und außer Reichweite zu robben sucht. Währenddessen vernehme ich erneut Geräusch hinter meinem Rücken. Leiser werdende - die von sich rasch entfernenden Schritten. Mister Windschatten hat die Flucht ergriffen.
Der Typ am Boden hat sich inzwischen berappelt, springt auf die Füße und legt einen beeindruckenden Sprint auf das Parkett, sodass ihn bald die Dunkelheit verschluckt hat.

Lady Goldlocke steht grinsend vor mir und schaut den entschwinden Kerlen nach.
„Die gehen jetzt woanders spielen.“
„Danke“, murmel ich verlegen, „äh…da waren Sie wohl einen Tick schneller.“
Sie lacht und streckt mir eine Hand entgegen.
„Nenn mich Amy.“
Die Hand ist warm und der Druck fest.
Ich unterdrücke einen Schmerzensschrei und antworte tapfer:
„Mike, freut mich.“

Ihr Gesicht ist hübsch.
Helle, blaue Augen, die mich neugierig mustern.
Volle Lippen, die mit dem dunklem Rot eines Lippenstiftes gekonnt betont wurden.
Die blonde Lockenpracht, die ihr Gesicht umspielt lässt sie irgendwie kess erscheinen.

„Hey“, lässt sie hören, „auf den Schreck haben wir uns einen kleinen Absacker verdient, meinst Du nicht?“
„Eigentlich…nein, klar, ist ok“, entfährt es mir zögernd.
Ihr Arm hakt sich bei mir ein und im selben Moment werde ich sanft aber bestimmt die Straße entlang geschoben.
„Da vorne ist ein nettes, kleines Cafe. Lass uns dort etwas trinken.“
„Ja, das Sheep, bin öfters da“, antworte ich wissend.
Sie lacht und zieht mich in Richtung der erleuchteten Lokalität.

Im Cafe herrscht mäßige Betriebsamkeit.
Einzelne Gäste bevölkern die Tische und an der Theke hat sich eine Handvoll Jugendliche eingefunden, die  in fesselnde Gespräche vertieft zu sein scheinen. Vermutlich wer gerade mit wem händchenhaltend auf dem Pausenhof gesichtet wurde. Ihre verschwörerische Minen und meine Erinnerung an solche Zeiten legen mir diesen heiteren Schluss nahe.

Wir entscheiden uns für einen Tisch in der Nähe des großen Fensters zur Straße und lassen uns in den gemütlichen Polstersesseln fallen.
„Herrlich, jetzt ein kühles Bierchen“, verkündet Amy fröhlich.
„Dem werde ich mich spontan anschließen“, entgegne ich grinsend.

Die Kellnerin nimmt unsere Bestellung entgegen und wenig später sind wir in ein kurzweiliges Gespräch vertieft, während sich die Gläser zügig leeren.

„Wie kommst Du zu diesen handfesten Fähigkeiten im Umgang mit aufdringlichen Zeitgenossen?“, will ich wissen.
Sie lächelt.
„Polizei.“
„Ach, Politesse? Erworben bei Auseinandersetzungen mit uneinsichtiger Kundschaft?“
Ihre Augen blitzen mich spitzbübisch an.
„Ne, Wirtschaftskriminalität.“
„Aha“, entfährt es mir, „Kreditkartenbetrug und so.“
„Genau…und so.“
Sie grinst breit und nippt an dem Glas.
Ihre blonden Locken fallen dabei in das Gesicht und was ich unter dem Laternenlicht schon bemerkte – sie ist verdammt hübsch.
Das kesse Erscheinungsbild wird durch ein Stupsnäschen betont, das sich inmitten einer fröhlichen Ansammlung von Sommersprossen befindet.
Nicht entgangen war mir zudem ihre alles andere als unangenehme Figur. Groß, schlank, mit wohldimensionierten Rundungen an den richtigen Stellen.
„Typisch Mann“, denke ich, „immer erst einen visuellen Bodycheck.“

Aus den Lautsprecherboxen, die irgendwo in den Ecken des Cafes platziert sind, dringt leise Musik.
Ray Davies, Kopf der „Kings“, stimmt „Lola“ an.

Amy hebt den Kopf und sieht mich fordernd aus ihren großen, blauen Augen an.
„Gib mir mal einen Kuss.“

Verklemmtheit ist mir eigentlich fremd und klar, ich schätze Frauen, die wissen, was sie wollen. Trotzdem - gerechnet hatte ich damit nun nicht. Irgendwie fühle ich mich ziemlich kalt erwischt.

Meine Überraschung verbergend, beuge ich mich zu Amy hinüber und küsse sie.
Ihre Lippen schmecken nach Bier und Kirsche.
Sie hat die Augen geschlossen und erwidert die Annäherung.
Es fühlt sich gut an. Warm und weich.
Irgendwann lösen wir uns voneinander und sie sieht mich lächelnd an.
„Danke.“
„Äh…bitte.“
„Dachte ich mir, dass es so sein würde“, sagt sie.
In meinem Blick müssen sich Fragezeichen tummeln, weil sie in leises Lachen verfällt.
„Come on, Boy – klapp den Laden wieder zu. Wir leben im 21. Jahrhundert.“
„Ist mir schon aufgefallen. Hast Du mir gerade wieder bewusst gemacht“, bemerke ich und versuche cool zu wirken.
Sie blickt mich weiterhin amüsiert an.
„Lass uns gehen, es ist spät und ich brauche meinen Schönheitsschlaf.“

Amy ruft die Kellnerin herbei, zahlt, meinen Protest ignorierend, die Getränke und schwingt sich anmutig aus dem Sessel.
Als wir wieder auf der Straße sind, reicht sie mir eine Karte.
„Meine Telefonnummer. Ruf mich morgen an, dann können wir etwas essen gehen.“
Ein gehauchter Kuss auf die Wange und bevor ich noch ansetzen kann, hat die Dunkelheit sie auch schon verschluckt.

Zu Hause angekommen, falle ich auf das Bett und bald übermannt mich der Schlaf. In meinen Träumen kämpfe ich an der Seite eines blonden Engels gegen dunkle Mächte. Jede Menge Dämonen, Geister und Stilettos.

Der nächste Morgen begrüßt mich mit einer Sonne, die hell am Himmel lacht und glitzernde Strahlen durch die Jalousie schickt.
Während ich der röchelnden Kaffeemaschine lausche, hängen meine Gedanken dem gestrigen Abend nach. Amy hat mich beeindruckt. Mehr als beeindruckt. Beinahe würde ich eine kleine Verliebtheit diagnostizieren.
Allerdings quält mich ein wenig der Gedanke, so widerstandslos das Heft aus der Hand gegeben zu haben.
„Junge, was ist mit deinen männlichen Jagdtrieben?“, geht es mir durch den Kopf.

Die Karte mit der Telefonnummer liegt auf dem Küchentisch. Ein  neuzeitliches Dokument, das von dem Niedergang maskuliner Regieführung zeugt.
Ich beschließe, sie später anzurufen und der Einladung zu folgen.

Das tue ich dann auch. Irgendwo zwischen Mittagspause und Strategiemeeting.
„Antonios“ ist mein Lieblingsitaliener. Hier gibt es Pasta satt. In allen Variationen und das zumeist reichlich. Die italienische Küche ist mein Favorit und Amy zeigte sich erfreut darüber.
„Kein Küchenstreit zu befürchten“, sagte sie am Telefon.
„20.00 Uhr? Klar, das passt. Wir treffen uns im Restaurant.“

Jetzt sitze ich an einem der Tische, spiele nervös mit meinem Handy und schaue auf das Display, ob eine Nachricht eingegangen sein könnte.
20.10 Uhr.
Große Persönlichkeiten brauchen ihre Zeit. Habe ich mal irgendwo gelesen.

Die Tür schwingt auf und Amy trabt herein. Sie trägt ein schlichtes, schwarzes Kleid, das ihre Figur umschmeichelt. Dezent geschminkt. Dunkler Lidstrich als Kontrast zu ihren hellen Augen. Die lockige Haarpracht hat sie zu einem Knoten gebunden, der zwischen den Schulterblättern ruht.
Ich spüre, wie mein Herz höher schlägt und vermag kaum den Blick von ihr zu wenden. Ähnlich scheint es auch einigen anwesenden Herren zu ergehen, wie man an den herumfahrenden Köpfen erkennen kann.

Sie erspäht meine winkende Hand und steuert auf den Tisch zu.
Der Kuss ist warm, weich und länger als man es von einer flüchtigen Bekanntschaft erwarten würde.
Amy bezieht Platz neben mir und lächelt vielsagend.
„Na Du, hast mich vermisst?“
„Hm…ein wenig“, gestehe ich grinsend.
„Nun denn.“
Sie greift nach der Karte und beginnt sie ausgiebig zu studieren.
Ich betrachte sie und spüre, wie mich der Anblick in den Bann schlägt.

Der Kellner nimmt die Bestellung entgegen und wir plaudern über allerlei Nichtigkeiten. Farben, Formen und zwischenmenschliche Vergletscherungen.
Ihre scharfsinnigen Formulierungen lassen mich immer wieder zu bewundernden Kommentaren hinreißen.
Ich beobachte, wie sich Gedankengänge in ihrem Kopf materialisieren und, von den vollen Lippen geformt, auf den Weg geschickt werden.
Auch sie wirft mir interessierte Blicke zu und das ein oder andere Mal ertappe ich sie bei dem Versuch, wohlwollende Blicke auf meinem Gesicht zu platzieren.

Während ich mich dem Teller Tagliatelle mit Lachs widme, verspeist Amy eine beachtliche Portion Lasagne. Erstaunlich, wie schnell und gleichzeitig elegant die Mahlzeit von ihren kleinen Zähnen verarbeitet und auf die Reise in den Magen geschickt wird. Keine Spur von kalorienscheuem Herumgestochere oder gespielt zurückhaltendem Kleinstportionieren wie man es hin und wieder in der Damenwelt beobachteten kann.

Während der Kellner das Trümmerfeld beseitigt, liegen wir kampfesmüde in den Stühlen.
„Jetzt einen ordentlichen Verdauungsbeschleuniger“, meint Amy grinsend.
Stöhnend verkünde ich meine Zustimmung.
Sie schüttet den Schnaps hinunter ohne eine Miene zu verziehen und knallt das Glas auf den Tisch.
„So, jetzt fahren wir zu mir“, sagt sie, „ich spendiere einen Kaffee auf Kosten des Hauses.“
Der Gedanke an eine belebende Tasse erscheint mir gar nicht übel und so nicke ich zustimmend mit dem Kopf.
Erneut zahlt sie Rechnung - wieder unter Ignorieren meines Protestes.

Sie hilft mir in die Jacke und geleitet mich durch die Restauranttür beim Hinausgehen.
Zielstrebig steuert sie einen schwarzen Sportwagen auf dem Parkplatz an. Aus bayrischen Landen. Flach, breit und ziemlich schnell wirkend.
„Steig ein, mein Lieber“, sagt sie und hält die Beifahrertür geöffnet.
Ich quäle mich in den Sportsitz während sie elegant um den Wagen herumspaziert und hinter dem Cockpit Position bezieht. Der Motor heult röhrend auf und mit quietschenden Reifen schießt sie aus der Parklücke heraus.

An den folgenden Höllenritt kann ich mich nur noch bruchstückhaft erinnern, weil meine Augen zumeist geschlossen waren. Hatte etwas von James Bond. Rücklichter, quietschende Reifen und jede Menge waghalsiger Überholmanöver. In erster Linie war ich mit dem Verbleib der Speisen in meinem Magen beschäftigt, sodass ich nach endlos erscheinenden Minuten erleichtert bemerke, wie die Fahrt vor einem hübschen Häuschen im Neubaugebiet endet.
„Haben mir meine Eltern vermacht“, sagt sie und bittet mich hinein.
Der Wohnbereich ist üppig gestaltet. Hell, große Fensterfronten und modernes Mobiliar. Alles sehr geschmackvoll und einladend.

Mit weichen Knien beziehe ich Platz auf der großzügig dimensionierten Ledercouch während Amy in der Küche verschwindet und sich um die Zubereitung des Kaffees bemüht. Die Fahrt steckt mir noch in den Knochen.
„Milch, Zucker?“, ruft sie durch die offene Tür.
„Ja, gerne.“
Sie kehrt zurück, bewaffnet mit zwei dampfenden Tassen.
Ihr Kaffee ist schwarz. Sie schlürft ihn genussvoll und mustert mich.
„Du bist süß. Denke, ich mag Dich.“

Sie nimmt mir die Tasse aus der Hand und stellt diese auf den Tisch.
Wortlos greift sie meinen Arm, zieht mich in die Höhe und öffnet meinen Gürtel. Gekonnt entkleidet sie mich und bleibt einen Moment stehen, um mich zu begutachten.
„Ok“, bemerkt Amy lächelnd und beginnt ihrerseits sich auszuziehen.
Was sich unter den Textilien schon abzeichnete, findet sich in Abwesenheit dieser bestätigt: Feste, üppige Formen, die meinen purpurbehelmten Freund in freudige Aufrichtung versetzen.
Das ist so bei uns Männern. Kannst du echt nichts dagegen machen.

In der folgenden Nacht zeigt sie mir ihre Welt der Leidenschaft. Ungestüm, fordernd und bestimmt. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft sie mein Boot in ihrem Fjord ankern ließ. Irgendwann liegen wir völlig erschöpft nebeneinander. Die Sonne ist inzwischen aufgegangen und taucht das Schlafzimmer in einen hellen Schein, der die Schweißperlen auf unserer Haut in kleine, funkelnde Diamanten verwandelt.
Es ist der Moment als sie mich zu ihrem Lebensgefährten erklärt und ich freudig zustimme.
„Lass uns ein Paar sein. Mann und Frau. Du und ich.“
„Klar, bin dabei“, entfährt es mir.
Sie küsst mich zärtlich und es kommt wie es kommen muss.
Schon wieder.
Vermutlich wird das ein taubes Gefühl in der Lendengegend zur Folge haben, aber zweifellos ist es das wert.

Die kommende Zeit ist eine der schönsten, die ich bis dato erleben durfte. Amy ist eine wundervolle Frau. Sie zeigt mir ihre Welt und lehrt mich Dinge, die mir bis dahin unbekannt waren. Pfeifen auf zwei Fingern zum Beispiel. So laut, dass die Vögel erschrocken aus den Bäumen flüchten.
Oder Reifenwechsel am Auto. Mit Wagenheber, Radkreuz und ordentlich Muskelkraft.
Es ist eine luftige Zeit und doch lässt mich irgendwie der Gedanke nicht los, dass ich meine männliche Rolle nicht wirklich ausfülle – bis zu jenem Abend.

Wir hatten uns verabredet. Sie würde Chips und Bier mitbringen. Fußball schauen in meinen vier Wänden.
Halbwegs pünktlich steht sie dann auch in der Tür und schwenkt die Utensilien.
„Na, kann es losgehen?“, sagt sie und drückt mir einen Kuss auf den Mund.
Im Fernseher flimmern schon die Vorberichte. Amy bezieht Platz auf dem Sofa und setzt eine Flasche umgedreht an den Hals einer anderen an, sodass der Kronkorken schnalzend durch das Zimmer fliegt.
Willste auch?“, sagt sie und hält mir das geöffnete Bier hin.
„Klar.“
Wir stoßen an und wohnen dem Rasenspiel bei. Der Ball wandert zwischen den Fronten und irgendwann fordert die konsumierte Flüssigkeit ihren Tribut. Amy verkündet, die Toilette aufzusuchen.

Minuten vergehen in denen sie verschwunden bleibt.
Allmählich beginne ich mich zu fragen, ob sie den falschen Weg genommen haben möge, als plötzlich ein gellender Schrei aus dem Bad ertönt.

Sofort stelle ich die Flasche ab und haste zur Toilette. Die Tür ist nur angelehnt. Das macht sie immer. Ich öffne und erspähe sie. Zusammengesunken kauernd in der Ecke des kleinen Raumes und mit schreckensgeweiteten Augen, die zur gegenüberliegenden Wand starren. Zitternde Finger zeigen auf einen Fleck, der sich zu bewegen scheint.
„Dada…mach das weg…bbbitte.“
Ich schaue in Richtung ihres Blickes und erkenne eine Spinne. Harmloser Weberknecht, wie man sie überall im Haushalt findet. Üblicherweise pflege ich eine friedliche Koexistenz mit diesen Geschöpfen.
In Rücksichtnahme auf ihre Verfassung unterdrücke ich ein Lachen und spaziere in die Küche, um mich mit Glas und Bierdeckel zu bewaffnen.
Gekonnt verwende ich die Gegenstände, um den Achtbeiner in das gläserne Gefäß zu verfrachten.

Nun, ich bin wirklich kein Mensch, der besondere Situationen zu seinem eigenen Vorteil schamlos ausnutzt oder mit den Schwächen anderer spielt, aber in diesem Moment konnte ich der Versuchung einfach nicht widerstehen.

„Amy?“
Sie sieht mich aus angsterfüllten Augen an.
„Ja?“
Weißt Du, ich liebe Dich.“
„Ich liebe Dich auch.“
„Und ich werde dafür sorgen, dass Du Dich sicher fühlst.“
„Das ist nett von Dir“, sagt sie und in ihre Stimme kehrt die Fassung zurück.
„Aber“, entgegne ich und hebe dabei sichtbar das Glas, „ich hätte einige Wünsche.“
Angsterfüllt verfolgt sie meine Hand mit dem Gefäß.
„Ja?“
„Du hilfst mir nicht mehr in die Jacke, hältst mir nicht mehr Türen auf und lässt mich beim Sex auch mal oben liegen. Ok?“
Sie nickt heftig mit dem Kopf.
„Klar, gerne…“
Außerdem werde ich den Heiratsantrag machen, nicht Du und wenn wir in die Flitterwochen fahren, darf ich auch mal ans Steuer. Ok?“
Wieder nickt sie mit dem Kopf.
„Kein Problem.“

Wir umarmen uns und verbringen den restlichen Abend in entspannter Zweisamkeit.

Übrigens, das Insekt habe ich im Garten ausgesetzt. Wir sind jetzt echt dicke Freunde. Der Weberknecht und ich.

Amy ist sowieso klasse, wir haben die weltbeste Partnerschaft und heiraten werden wir auch.
Mal sehen, wer den Antrag ausspricht… 

© by P.H.